Autor: Hanya Yanagihara
Titel: Ein wenig Leben
Verlag: Piper

Allgemeines

Die Autorin Hanya Yanagihara ist 1974 geboren und eine US-Amerikanische Schriftstellerin und Journalistin. Zudem ist sie Chefredakteurin des “T Magazine” in der New York Times.

A Little Life erschien 2015 in New York und 2017 dann unter dem Titel Ein wenig Leben auch bei uns in Deutschland. Yanagihara gewann mit diesem Roman den Kirkus Award und war auf Platz 96 auf der Liste der 100 besten Bücher des 21. Jahrhundert im The Guardian.

(…) lebendig zu sein hieß, sich Sorgen zu machen. Das Leben war beängstigend; es war voller Ungewissheiten.

Ein Wenig Leben (S. 665)

Inhalt

Der Roman nimmt den Leser mit auf eine Reise über drei Dekaden. Es ist der Beginn des Erwachsenenlebens von vier jungen Männern in New York, die alle einen Abschluss von der hochangesehenen New England University haben.

Der Freundeskreis besteht aus:

  • Willem Ragnarsson
    Ein gutaussehender junger Mann, der von einer Ranch in Wyoming abstammt und die Karriere eines Schauspielers anstrebt.
  • Malcom Irvine
    Der gemischtrassige Nachkomme einer wohlhabenden Familie aus der Upper East Side, der ein sehr leidenschaftlicher Architekt ist.
  • Jean-Baptiste Marion (JB)
    Der Sohn von Immigranten aus Haiti, der anfangs Rezeptionist bei einem downtowner Kunst Magazin ist, dessen Kunstwerke jedoch schon bald berühmt werden und im selben Magazin thematisiert werden.
  • Jude St. Francis
    Protagonist des Romans und ein erfolgreicher Anwalt und Mathematiker aus Leidenschaft, dessen Herkunft sogar bei seinen Freunden unbekannt ist.

Im Laufe des Romans lernt der Leser alle Charaktere genauer kennen – allen voran Jude, der als Baby bei den Mülltonnen gefunden und von Mönchen aufgezogen worden ist.

Der Leser begleitet die vier Freunde auf Parties, Dates und ist Zeuge von deren Gesprächen und deren Kampf und Bemühungen, ihre Träume zu verwirklichen. Doch schon bald wird dem Leser bewusst: Dies ist mehr als ein “Big City Bildungsroman”.

Im Roman gibt es wenige bis gar keine Anzeichen dafür, um welches Jahr oder welche Zeit es sich handelt. Somit befindet sich die Geschichte in einem ewigen Jetzt. Die Aktualität der Geschichte ist unbestritten.

Nach und nach mit jeder gelesenen Seite erfährt der Leser mehr von Judes mysteriöser und traumatischer Vergangenheit.
Themen wie sexueller Missbrauch, Gewalt, Leid, Selbstverletzung und die Schwierigkeit, sich davon zu erholen, führen den Leser an dunkle Orte. Trost und Erlösung bleiben einem jedoch verwehrt.

Persönliche Meinung

Durch Flashback-artige Einschübe erzählt der Roman von den schrecklichen Vorfällen wie Vergewaltigung, Prostitution und Gewalt, die Jude widerfahren sind. Zwischen all diesen dunklen Stellen, stechen umso mehr die Szenen hervor, in denen Jude Freundlichkeit, Zärtlichkeit und Unterstützung erfährt. Es sind gerade diese Stellen, die mich am meisten bewegt haben.

Der Umgang mit diesen schwierigen Themen ist meiner Meinung nach eine ganz besondere genauso wie die Charaktere Jude und Willem. Die Autorin hat mit Jude eine Figur geschaffen, dem es schlecht geht; der geplagt und gepeinigt wird von seinen Erinnerungen und des Geistern seiner Vergangenheit. Eine Läuterung oder Heilung findet nicht statt. Freundschaft und Liebe helfen und verbessern zeitweise seine Situation als scheinbar einzige Medizin, gerettet wird er dadurch nicht.

Dieser Roman wird für immer einen besonderen Platz in meinem Herzen haben und wie so oft beim Lesen werde ich auch weiterhin immer mal wieder an Jude denken müssen.

In einer Rezension des New Yorker stand Ein wenig Leben sein ein “consuming page-turner” – dem ist nicht hinzuzufügen.
Das Buch verschlingt dich, nimmt dein Leben ein und trotz all dem Leid, der Trauer, der Dunkelheit erkennst du Schönheit.

War Freundschaft an sich kein Wunder – einen anderen Menschen zu finden, der die ganze einsame Welt irgendwie weniger einsam erscheinen ließ?

Ein wenig leben (S. 763)

Coverbild

Bei dem Bild auf dem Cover handelt es sich um eine Fotografie von Peter Hujar mit dem Titel “Orgasmic Man”.

Auf der Seite des Hanser Verlags schreibt die Autorin:

“Das Bild schien zu übergriffig zu sein, zu intim, zu herausfordernd.
Sie hatten nicht Unrecht. Und doch sind es genau diese Eigenschaften, derentwegen ich das Bild liebe. Es schien mir die denkbar aufrichtigste Werbung für das Buch zu sein. Empfindet der Mann Schmerzen oder Lust? Ist er ekstatisch oder tief verzweifelt? Man hat das Gefühl, dass man Zeuge eines fast unerträglich intimen Moments wird, dass man etwas sieht, was man eigentlich nicht sehen sollte.”

Anfangs war ich auch nicht überzeugt von dem Cover aber nach der Erläuterung bin ich nun der Meinung, dass es geradezu perfekt für diesen Roman ist.