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Mishima Yukio – Der Goldene Pavillon

Autor: Mishima Yukio
Titel: Der Goldene Pavillon
Verlag: Kein & Aber

Der Roman Der Goldene Pavillon wurde 1956 in Japan unter dem Titel Kinkakuji (金閣寺) veröffentlicht. 1961 wurde der Roman mit dem Titel Tempelbrand erstmals ins Deutsche übersetzt von Walter Donat. Eine Neuübersetzung unter dem Titel Der Goldene Pavillon von Ursula Gräfe erschien 2019. Er basiert frei auf der wahren Begebenheit, die sich 1950 ereignete.

Inhalt

Nach dem Tod seines Vaters wurde der Erzähler und Protagonist Mizoguchi als Messdiener zum Goldenen Tempel geschickt mit der Hoffnung er würde eines Tages einen höheren Rang ergattern. Mizoguchi fühlt sich missgestaltet und durch sein Stottern hässlich und von der äußeren Welt abgeschnitten. Seine „Hässlichkeit“ steht somit im direkten Kontrast zum Goldenen Pavillon. 

Zuerst freundet er sich mit Tsurukawa an, der zu einem engen Vertrauten Mizoguchis wird. Mit seinem einfachen Herz stellt Tsurukawa seine Verbindung zur Realität dar. Doch als Mizoguchi auf die Universität geschickt wird, verbringen sie weniger Zeit miteinander und lernen auch neue Leute kennen. Dies führte dazu, dass der Protagonist den klumpfüßigen Kashiwagi kennenlernt und unter seinem schlechten Einfluss gerät. 

Die Unvollkommenheit, die die beiden miteinander vereint, ist auch das, was die Schönheit in ihren Augen befleckt. Durch ihn lernt Mizoguchi, dass Schönheit auch durch Geschick und Fertigkeit erlangt werden kann. Dies erkennt er anhand Kashiwagis Flötenspiel. Beim Zuhören kommt er zu der Erkenntnis, dass Kashiwagi trotz seiner Imperfektion die Fähigkeit hat etwas Schönes zu erschaffen. Er ist sogar der Ansicht, dass das Flötenspiel gerade aufgrund seines Klumpfußes so wunderschön war. Kashiwagi jedoch verabscheut jede Schönheit, die von Dauer ist. Er findet Gefallen an Musik und Blumen, weil ihre Schönheit vergänglich ist.  

Eine Reihe von Geschehnissen bringen Mizoguchi auf den Gedanken, den Goldenen Pavillon in Brand zu setzen. Gründe hierfür sind zum Beispiel der Hass auf die Schönheit, Kashiwagis Einfluss und den Ärger den Mizoguchi mit der korrupten Leitung des Tempels hat. Dieser Gedanke der Brandstiftung verwandelt sich schnell in Vorsatz und soll Mizoguchi die langersehnte Freiheit und Unabhängigkeit vom Tempel bringen. Anders als der wahre Täter ändert Mizoguchi zum Schluss seine Meinung und möchte leben, obwohl er in der Nacht des Brandes auch seinen eigenen Tod geplant hatte.

Geschichtlicher Hintergrund

Der Tempel des Goldenen Pavillons (kinkakuji 金閣寺) wurde 1397 zu Ehren des Shôgun Yoshimitsu Ashikaga in Kyoto erbaut. Ursprünglich hieß der Tempel Rehgarten Tempel (rokuonji 鹿苑寺) und diente als Reliquienhalle (shariden 舎利殿).

Obwohl der Tempel schon einiges überstanden hatte und oft von Schaden verschont blieb brannte er in der Nacht oder am frühen Morgen des 2. Juli 1950 nieder. Der 22-jährige Novize Yoken Hayashi, der den Brand legte wurde nach seinem fehlgeschlagenen Selbstmord verhaftet. Er litt unter einer Art Schizophrenie und wie Mizoguchi im Roman stotterte auch er. Laut dem Nachwort des Romans habe er die Tat aus Protest gegen die Kommerzialisierung des Buddhismus begangen. Zudem hasse er sich selbst und alles schöne. 

1951 wurde Yoken zu sieben Jahren Gefängnis verurteil, wurde jedoch zwei Jahre später aufgrund seiner schlechten körperlichen Verfassung entlassen und verstarb 1956. Schon 1955 war das Gebäude wieder aufgebaut.

Interpretations- & Deutungsansätze

Wie so viele andere Werke von Mishima ist auch hier nicht nur eine Interpretation herauszulesen. Ich werde daher nur einige wenige benennen.

  • Vaterfigur oder vielmehr ihre Abwesenheit:

Mizoguchis Vater war ein buddhistischer Mönch eines niedrigen Ranges und wird im Roman als sehr kränklich und als körperlich und geistig/moralisch schwach beschrieben. Dies war nicht nur seiner Krankheit verschuldet, sondern auch seines Wegsehens bezüglich der Affären von Mizoguchis Mutter. Da es dem Vater sehr wichtig war, dass sein Sohn Novize im Goldenen Tempel wird, kann die Zerstörung jenes Pavillons als Racheakt gegen seinen verstorbenen Vater sein. Die Zerstörung könnte auch der Tötung des Vaters gleichgesetzt werden. 

  • Der Wandel Japans in der Nachkriegszeit:

Der verbrannte Tempel könnte dem Gefühl entsprechen, dass die „alten“ Werte im Nachriegs-Japan zunehmend verschwunden sind und die japanische Kultur ebenfalls schwindet, um Platz zu schaffen für die westliche. Der Tempel, der als Inbegriffs der Samuraikultur verstanden werden kann, ist nach all dem, was er überstanden hat nun eine Attraktion für westliche Touristen geworden. Mishima sprach oft von dieser sogenannten dunklen Seite des japanischen Denkens, dass Menschen aus dem Westen niemals verstehen würden. 

  • Der Goldene Pavillon als Bildungsroman:

Mishimas Vorliebe für philosophische Romane wie des Thomas Mann könnte dazu geführt haben, dass er hier so etwas im Sinn hatte. Der junge Protagonist ringt mit philosophischen Problemen und dies bildet den dialektischen Rahmen des Romans. Dies wird deutlich durch platonische Dialoge zwischen Vertretern von verschiedenen und gegensätzlichen Ansichten. 

  • Nihilismus im Goldenen Pavillon:

Der Protagonist im Roman erhebt sich vom passiven Nihilismus zum aktiven Nihilismus. Der Wendepunkt ist hierbei der Brand des Tempels. Mizoguchi kämpft, um seiner Passivität zu entkommen. Anfangs ist er ein passiver Nihilist, der handlungsunfähig ist und angetrieben wird von Bedeutungslosigkeit und Nichtigkeit. Der Finale Akt der Brandstiftung und Zerstörung ist die notwendige Handlung für die psychische Gesundheit des Protagonisten und letztendlich auch notwendig für seine Verwandlung zum aktiven Nihilisten.

  • Schönheit und Selbstmord:

Wie bereits erwähnt unterscheidet sich Mishimas Roman von der wahren Begebenheit unter anderem deshalb, weil der Protagonist seine Idee des Selbstmordes zum Ende hin verwarf. Ein möglicher Grund hierfür könnte Mishimas Einstellung und Ansicht gegenüber dem rituellen Selbstmord sein, denn dieser Selbstmord sollte nur mit einem schönen Körper vollzogen werden. Mishima selbst trainierte hart in den letzten Jahren seines Lebens, damit sein Körper die notwendige Perfektion und Schönheit erlangt und somit sepukku begangen werden kann. Mizoguchi jedoch war durch sein stottern hässlich und somit nicht perfekt genug, um sich umzubringen.

Meine Meinung

Krankheit, Missbildung, Verbrechen, Dekadenz und Nihilismus sind einige wenige der Themen, welche immer wieder in Mishimas Roman zu finden sind. Daher bereitet mir das Lesen seiner Romane besondere Freude. Vor allem, weil ich mit Mishimas Biografie sehr vertraut bin und auch vieles an Sekundärliteratur gelesen habe, ist es umso spannender Motive in seinen Romanen zu erkennen und zu versuchen sie zu deuten. 

Der Goldene Pavillon ist sehr umfangreich und verfügt über detailliertes Wissen über den buddhistischen Alltag. Wie einige andere Romane des Autors beruht auch dieser auf einer wahren Begebenheit und nach einer kurzen eigenen Recherche lässt sich erkennen, dass Mishima sehr vertraut mit dem eigentlichen Fall gewesen sein muss. Dies ist nicht nur anhand der Gemeinsamkeiten zur wahren Begebenheit festzustellen, sondern auch anhand der detaillierten Beschreibung der Komplexen Psyche des Protagonisten. 

Zwar wird der Roman auch kritisiert. Zum Beispiel heißt es, dass es keine Charakterentwicklung des Protagonisten gäbe und dass seine Beweggründe unrealistisch und nichtvollziehbar seien. Dem kann ich jedoch aufgrund des oben erwähnten nicht zustimmen. 

Der Goldene Pavillon ist nicht nur ein Roman über Schönheit und Zerstörung, sondern der Leser erhält einen Einblick in das Leben eines buddhistischen Novizen. Darüber hinaus ist Der Goldene Pavillon auch eine schöne „coming of age“ Geschichte über einen jungen Rebellen, sein sexuelles Erwachen, über gute und schlechte Freundschaften und über eine zerstrittene und entfremdete Beziehung zu den Eltern. Daher ist der Roman attraktiv für eine breitere Masse an Lesern. Würde ich den Roman bewerten, würde er 10 von 10 Punkten bekommen. Meiner Meinung nach war in dem Roman alles drin, was einen Roman für mich ansprechend macht. Er ist unterhaltsam, informativ und bietet viele Deutungsmöglichkeiten, über die ich sehr lange nachdenken kann. 

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  1. “Der Goldene Pavillon” steht bei mir als nächster Roman von Mishima auf der Liste und ich bin sehr gespannt darauf. Wenn jemand so ein schwieriges Thema nachvollziehbar in einen Roman verpacken kann, dann er.

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